Analyse der Heilslehre im Katechismus der NAK

Apostelamt, Exklusivität und ökumenische Herausforderungen

1. Einleitung: Eine Lehre mit weitreichenden Folgen

Der Katechismus der Neuapostolischen Kirche (KNK) legt die Glaubensgrundlagen dieser christlichen Gemeinschaft dar. Ein zentrales und für ihr Selbstverständnis entscheidendes Element ist die Lehre vom Apostelamt.

Diese Analyse untersucht, welche Rolle der KNK den heute wirkenden Aposteln für die Vermittlung des Heils zuschreibt. Es wird analysiert, inwiefern diese Lehre einen exklusiven Charakter hat, der potenziell andere Menschen vom vollkommenen Heil ausschließt und im ökumenischen Kontext als diskriminierend wahrgenommen werden kann.

2. Die zentrale Rolle der Apostel in der Neuapostolischen Kirche

Der KNK etabliert das Apostelamt als die von Jesus Christus gestiftete, zentrale und unersetzliche Instanz in seiner Kirche. Es ist nicht nur ein Amt unter vielen, sondern die Quelle, aus der alle anderen Ämter und Vollmachten hervorgehen.

Kernpunkte der Apostelamt-Lehre:

  • Das einzige von Christus gestiftete Amt: "Jesus Christus hat seiner Kirche unmittelbar nur ein Amt gegeben, nämlich das Apostelamt" (KNK 7.4)
  • Heilsvermittlung durch Apostel: Apostel sind gesandt "mit dem Auftrag, zu lehren, in seinem Namen Sünden zu vergeben und mit Wasser und Heiligem Geist zu taufen" (KNK 2.4.4)
  • Exklusive Sakramentsspendung: Die Heilige Versiegelung (Spendung des Heiligen Geistes) ist exklusiv an das Apostelamt gebunden
"Ich glaube, dass die mit Wasser Getauften durch einen Apostel die Gabe des Heiligen Geistes empfangen müssen, um die Gotteskindschaft und die Voraussetzungen zur Erstlingsschaft zu erlangen" (KNK 2.4.8)

3. Heil nur in der NAK? Analyse des Exklusivitätsanspruchs

Die Lehre vom Apostelamt begründet einen klaren Exklusivitätsanspruch, der jedoch differenziert betrachtet werden muss.

Der Weg zum vollkommenen Heil

Der KNK lehrt nicht, dass außerhalb der NAK kein Heil möglich ist. Er formuliert jedoch, dass der Weg zur "Erstlingsschaft" – also zur Teilnahme an der Entrückung bei der Wiederkunft Christi – nur über die von Aposteln vermittelten Sakramente führt.

Das "Erlösungswerk des Herrn"

Der KNK beschreibt das „Erlösungswerk des Herrn" als den Teil der Kirche, „in dem die Apostel wirken und jene Heilsgaben vermitteln, die der Bereitung der Erstlinge, der Braut Christi, dienen" (KNK 2.4.3). Dies impliziert, dass es einen Bereich der Kirche gibt, in dem diese Heilsgaben nicht vermittelt werden.

Theologische Spannung

Einerseits wird allen Christen eine "Teilhabe am Heil" zugestanden, andererseits wird der Weg zum vollkommenen Heil (die „Erstlingsschaft") an die exklusive Tätigkeit der NAK-Apostel gebunden.

4. Eine Hürde für die Ökumene

Aus der Perspektive des ökumenischen Dialogs stellt die Lehre vom heilsnotwendigen Apostelamt eine fundamentale Hürde dar.

Hierarchisierung des Heils

Indem die NAK-Lehre einen besonderen, höheren Heilsweg für sich beansprucht, der anderen Kirchen verschlossen ist, wertet sie deren Sakramente und Ämter implizit ab. Dies schafft eine theologische Hierarchie, bei der die NAK über anderen Kirchen steht.

Wirkung als Diskriminierung

Diese Lehre kann von anderen Christen als abwertend empfunden werden. Sie impliziert, dass der Glaube und die Sakramente in evangelischen, katholischen oder orthodoxen Kirchen nicht ausreichen, um den Menschen zum höchsten von Gott vorgesehenen Ziel zu führen.

Gegenseitige Anerkennung

Eine volle ökumenische Gemeinschaft setzt die gegenseitige Anerkennung der Taufe, des Abendmahls und des ordinierten Amtes als heilsvermittelnd voraus. Der KNK macht dies durch seine Apostelamt-Lehre unmöglich.

5. Das Apostelamt im Licht der Lehre Jesu

Stellt man die Lehre des KNK den Kernaussagen Jesu in den Evangelien gegenüber, treten deutliche Spannungen zutage.

Zentrale Unterschiede:

  • Jesu universeller Ruf: Jesus richtet seinen Ruf zum Heil an alle Menschen. Die Bedingungen sind Glaube, Umkehr, Liebe zu Gott und zum Nächsten
  • Fokus auf Amt vs. Person: Während der KNK die Heilsvermittlung an eine institutionelle Struktur bindet, fokussiert Jesus auf die persönliche Beziehung zu Gott
  • Die Rolle der Apostel bei Jesus: In den Evangelien erscheint ihre Rolle als die von Zeugen und Verkündigern, nicht als exklusive Verwalter eines gestuften Heils
"Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben" (Johannes 3,36) – ohne die Bedingung eines bestimmten Sakraments durch ein bestimmtes Amt.

6. Fazit: Der Kern des Konfliktpotenzials

Die meisten christlichen Kirchen gehen davon aus, dass der Glaube an Jesus Christus und die Taufe der Weg zur vollen Erlösung sind. Die Neuapostolische Kirche fügt hier eine entscheidende, exklusive Bedingung hinzu: Um das höchste Heilsziel zu erreichen, muss man zusätzlich das Sakrament der "Heiligen Versiegelung" empfangen.

Dieses Sakrament kann jedoch ausschließlich durch einen Apostel der Neuapostolischen Kirche gespendet werden.

Dadurch entsteht eine zweistufige Heilslehre: Es gibt ein allgemeines Heil für andere gläubige Christen, aber das "vollkommene Heil" gibt es nur durch die NAK-Apostel. Diese Lehre stellt die eigene Institution als heilsnotwendig dar und steht im Widerspruch zum ökumenischen Gedanken der Gleichwertigkeit der Kirchen.

Hier liegt der wesentliche Punkt der theologischen Spannung und der Grund, warum diese Lehre als ausschließend und im ökumenischen Dialog als problematisch wahrgenommen wird.