Apostelamt, Exklusivität und ökumenische Herausforderungen
Der Katechismus der Neuapostolischen Kirche (KNK) legt die Glaubensgrundlagen dieser christlichen Gemeinschaft dar. Ein zentrales und für ihr Selbstverständnis entscheidendes Element ist die Lehre vom Apostelamt.
Diese Analyse untersucht, welche Rolle der KNK den heute wirkenden Aposteln für die Vermittlung des Heils zuschreibt. Es wird analysiert, inwiefern diese Lehre einen exklusiven Charakter hat, der potenziell andere Menschen vom vollkommenen Heil ausschließt und im ökumenischen Kontext als diskriminierend wahrgenommen werden kann.
Der KNK etabliert das Apostelamt als die von Jesus Christus gestiftete, zentrale und unersetzliche Instanz in seiner Kirche. Es ist nicht nur ein Amt unter vielen, sondern die Quelle, aus der alle anderen Ämter und Vollmachten hervorgehen.
Die Lehre vom Apostelamt begründet einen klaren Exklusivitätsanspruch, der jedoch differenziert betrachtet werden muss.
Der KNK lehrt nicht, dass außerhalb der NAK kein Heil möglich ist. Er formuliert jedoch, dass der Weg zur "Erstlingsschaft" – also zur Teilnahme an der Entrückung bei der Wiederkunft Christi – nur über die von Aposteln vermittelten Sakramente führt.
Der KNK beschreibt das „Erlösungswerk des Herrn" als den Teil der Kirche, „in dem die Apostel wirken und jene Heilsgaben vermitteln, die der Bereitung der Erstlinge, der Braut Christi, dienen" (KNK 2.4.3). Dies impliziert, dass es einen Bereich der Kirche gibt, in dem diese Heilsgaben nicht vermittelt werden.
Einerseits wird allen Christen eine "Teilhabe am Heil" zugestanden, andererseits wird der Weg zum vollkommenen Heil (die „Erstlingsschaft") an die exklusive Tätigkeit der NAK-Apostel gebunden.
Aus der Perspektive des ökumenischen Dialogs stellt die Lehre vom heilsnotwendigen Apostelamt eine fundamentale Hürde dar.
Indem die NAK-Lehre einen besonderen, höheren Heilsweg für sich beansprucht, der anderen Kirchen verschlossen ist, wertet sie deren Sakramente und Ämter implizit ab. Dies schafft eine theologische Hierarchie, bei der die NAK über anderen Kirchen steht.
Diese Lehre kann von anderen Christen als abwertend empfunden werden. Sie impliziert, dass der Glaube und die Sakramente in evangelischen, katholischen oder orthodoxen Kirchen nicht ausreichen, um den Menschen zum höchsten von Gott vorgesehenen Ziel zu führen.
Eine volle ökumenische Gemeinschaft setzt die gegenseitige Anerkennung der Taufe, des Abendmahls und des ordinierten Amtes als heilsvermittelnd voraus. Der KNK macht dies durch seine Apostelamt-Lehre unmöglich.
Stellt man die Lehre des KNK den Kernaussagen Jesu in den Evangelien gegenüber, treten deutliche Spannungen zutage.
Die meisten christlichen Kirchen gehen davon aus, dass der Glaube an Jesus Christus und die Taufe der Weg zur vollen Erlösung sind. Die Neuapostolische Kirche fügt hier eine entscheidende, exklusive Bedingung hinzu: Um das höchste Heilsziel zu erreichen, muss man zusätzlich das Sakrament der "Heiligen Versiegelung" empfangen.
Dieses Sakrament kann jedoch ausschließlich durch einen Apostel der Neuapostolischen Kirche gespendet werden.
Dadurch entsteht eine zweistufige Heilslehre: Es gibt ein allgemeines Heil für andere gläubige Christen, aber das "vollkommene Heil" gibt es nur durch die NAK-Apostel. Diese Lehre stellt die eigene Institution als heilsnotwendig dar und steht im Widerspruch zum ökumenischen Gedanken der Gleichwertigkeit der Kirchen.
Hier liegt der wesentliche Punkt der theologischen Spannung und der Grund, warum diese Lehre als ausschließend und im ökumenischen Dialog als problematisch wahrgenommen wird.